Niemand kann zuverlässig voraussagen, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickeln wird und was seine geopolitischen Konsequenzen über die nächsten Monate, geschweige denn Jahre sein werden. Und dennoch müssen politische Entscheidungsträger die Folgen des Krieges abwägen und über angemessene Reaktionen nachdenken, in dem Wissen, dass diese angepasst werden müssen, wenn die Bedingungen sich ändern. Zudem müssen sie kohärent die kombinierten Folgen ihrer eigenen Maßnahmen abwägen, von Sanktionen gegen Russland bis hin zu Subventionen und Transfers an die eigenen Bürger. Das versuchen wir in diesem Policy Brief zu tun, mit Fokus auf die makroökonomischen Aspekte, die für Europa relevant sind.
Wir beginnen mit einer Untersuchung der potentiellen Folgen des Krieges. Wir betrachten die verschiedenen Kanäle, über die er makroökonomische Perspektiven beeinflusst. Dabei zeigt sich, dass, obwohl Nachfrage-, Finanz- und Wohlstandskanäle sowie direkte Auswirkungen des Krieges auf den Haushalt eine Rolle spielen – durch erhöhte Verteidigungsausgaben und Kosten für den Schutz von Flüchtlingen –, die Folgen des Krieges auf Europa voraussichtlich am deutlichsten an Energiepreisen und in geringerem Maße an Lebensmittelpreisen zu spüren sein werden.
Dann diskutieren wir die Faktoren, die wahrscheinlich die Entwicklung der Energiepreise bestimmen werden. Die Entwicklung hängt sowohl von den russischen Maßnahmen ab, selbst wenn keine Sanktionen verhängt werden, als auch vom Effekt potentieller Sanktionen auf russisches Verhalten. Dabei muss zwischen Öl (und Kohle) einerseits und Gas andererseits unterschieden werden. Für Öl und Kohle ist Russland quasi ein Preisnehmer auf einem kompetitiven Weltmarkt. Die Nachfragekurve ist sehr elastisch. Für Gas ist der Markt der EU-Markt, da der Handel auf eine spezifische Infrastruktur angewiesen ist: die Nachfrage ist eher unelastisch und Russland kann als quasi-Monopolist betrachtet werden.
Das hat Folgen unterschiedliche Konsequenzen, sowohl auf das zu erwartende Verhalten Russlands als auch auf die Wirksamkeit von Sanktionen, zum Beispiel Strafzölle auf die russischen Exporte. In Anbetracht der technischen Sachzwänge ist ein vollständiges Gas-Embargo nicht umsetzbar. Strafzölle dagegen sind umsetzbar, sie wären effektiv und sollten in Betracht gezogen werden, trotz der vermutlich starken Effekte auf die Verbraucherpreise.
Unsere Arbeitshypothese in den weiteren Abschnitten lautet, dass die Energiepreise verglichen zu den Vorkriegsniveaus vorraussichtlich steigen werden, wobei hohe Ungewissheit über das Ausmaß dieses Anstiegs besteht. Bislang haben beide Seiten den Öl- und Gashandel de facto vor den Auswirkungen des Konflikts abgeschirmt 1. Die starken Schwankungen auf dem Öl- und noch mehr auf dem Gasmarkt sind durch Erwartungen des russischen Handelns und der Sanktionen bedingt. Doch das “Gleichgewicht des Energieschreckens” ist prekär und keinesfalls selbstverständlich.
Anschließend untersuchen wir die Implikationen des Krieges für die europäische Fiskal- und Geldpolitik.
Abgesehen von den verschiedenen Ausgabenposten – vom Verteidigungssektor über Ausgaben für Geflüchtete bis hin zur notwendigen Anpassung der Energieinfrastruktur an ein verändertes Energieangebot – ist die zentrale fiskalpolitische Frage, ob und wie ein Teil der Realeinkommensverluste der Haushalte ausgeglichen werden kann, wenn die Lebensmittel- und Energiepreise steigen.
Dabei geht es vor allem um zwei Fragen. Die erste ist, wie man das am besten umsetzt: durch Subventionen, Transfers oder Preisregulation. Die Herausforderung dabei ist, abzuwägen wie die Kombination solcher Maßnahmen mit Embargos oder Strafzöllen zusammenwirkt und die Gesamteffekte der Sanktionen, den Preis für Energieimporte sowie die Folgen für die Inflation bedingt. Die zweite Frage ist, ob diese Maßnahmen, wenn sie denn ergriffen werden, durch Steuern oder durch Schulden finanziert werden sollen. Es gibt ein starkes politisches Argument dafür, eine ausnahmsweise “Kriegs”steuer zu erheben. Allerdings dürften der Verlust von Realeinkommen durch höhere Importpreise und die mit dem Krieg verbundene Unsicherheit zu eine schwächere gesamtwirtschaftliche Nachfrage mit sich bringen; deficit spending könnte notwendig sein um zu stabilisieren oder einen Produktionsrückgang zumindest zu begrenzen. Selbst wenn die Staatsverschuldung dadurch steigt, wird sie tragbar bleiben.
Was die Geldpolitik betrifft, so muss die Standardantwort auf einen Anstieg von Energie- oder Nahrungsmittelpreisen – Abfederung der Erstrundeneffekte und Sparmaßnahmen zur Begrenzung weiterer Auswirkungen – neu bedacht werden. Einerseits tritt die zusätzliche Inflation zu einer bereits hohen Inflation hinzu, dadurch steigt das Risiko einer Entkoppelung von Inflationserwartungen. Andererseits ist es trotz fiskalischer Unterstützung wahrscheinlich, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schwach ist und die Inflation nach unten drückt. Der erste Effekt spricht für mehr, der zweite für weniger Regulierung. Tatsächlich gleichen sich die beiden bislang gegenseitig ungefähr aus, was darauf hindeutet, dass die Geldpolitik ungefähr auf dem geplanten Vorkriegskurs bleiben könnte, jedoch bereit sein muss in die eine oder andere Richtung zu adjustieren.
Im derzeitigen Kontext besteht eine wichtige und ungewöhnliche Wechselwirkung zwischen Fiskal- und Geldpolitik. Je mehr die Fiskalpolitik die Reallöhne der Arbeitnehmer protegiert, desto schwächer wird die Nachfrage nach Lohnerhöhungen in zukünftigen Runden sein. Je glaubwürdiger eine Abschwächung der Inflation wird, desto weniger muss die EZB möglicherweise anziehen um geringere Inflation zu erzielen. In Folge dessen können höhere Defizite zu geringeren Kosten im Kampf gegen die Inflation führen.
Eine letzte und interessante Frage ist ob diese mildernde Rolle der fiskalpolitischen Unterstützung explizit in Tarifverhandlungen berücksichtigt werden kann. Während der Pandemie haben staatlich finanzierte Freistellungsprogramme und Unterstützungsprogramme für Unternehmen Einkommensverluste ausgeglichen und sich dabei als als wirksames und kosteneffizientes Mittel erwiesen, um wirtschaftliche und soziale Störungen zu minimieren. Es spricht einiges für einen trilateralen Dialog zwischen Regierungen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern und idealerweise für ein quid pro quo von Lohn- und Preiszurückhaltung im Gegenzug für erhebliche fiskalpolitische Unterstützung.
Unser Policy Brief ist wie folgt organisiert: Wir beginnen in Abschnitt 1 mit der Betrachtung jener Kanäle, über die sich der Krieg auf die EU-Wirtschaft auswirken wird. In Abschnitt 2 untersuchen wir die Faktoren, die wahrscheinlich die Entwicklung der Energiepreise bestimmen werden. In Abschnitt 3 erörtern wir die Auswirkungen auf Produktion und Inflation in der Europäischen Union und in Abschnitt 4 die Auswirkungen auf Steuer- und Geldpolitik der EU. In Abschnitt 5 ziehen wir Schlussfolgerungen.
1 Der wirtschaftliche Effekt des Krieges
Die Beschaffenheit der Schocks
Unsere Arbeitshypothese lautet, dass der Konflikt, der mit Russlands Invasion am 24. Februar begann, nicht kurzfristig gelöst werden wird. In den nächsten 12 Monaten rechnen wir mit einer Pattsituation oder einer russische Besetzung mit ukrainischem Widerstand oder einem Waffenstillstand gefolgt von erbitterten Verhandlungen. Wir gehen davon aus, dass es länger dauern wird, eine dauerhafte Lösung zu finden.
Vor diesem Hintergrund stellen wir die folgenden Annahmen auf:
- Der Verstoß gegen Grundsätze der Vereinten Nationen (die auf dem europäischen Kontinent seit einem Dreivierteljahrhundert eingehalten worden waren) wird weiterhin den Horizont trüben und das Vertrauen über die direkten Effekte des Krieges hinaus beeinträchtigen.
- Die meisten ukrainischen Flüchtlinge werden in ihre Heimatorte zurückkehren, doch erst nach und nach, da die weitreichende Zerstörung ihre Heimkehr behindern wird.
- Die Krise wird einen dauerhaften Anstieg der Europäischen Verteidigungsausgaben nach sich ziehen.
- Auf den Fersen der Pandemie folgend, wird dieser neue Schock globale Unternehmen dazu treiben, ihre Abhängigkeit von weit verzweigten Versorgungsketten und just-in-time-Lieferplänen zu überdenken.
- Der Krieg wird ukrainische (und möglicherweise russische) landwirtschaftliche Ernten und Exporte beeinträchtigen, das weltweite Angebot verringern und und die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel erhöhen.
- Die Europäische Union wird über ihre unmittelbare Reaktion auf den Krieg hinaus ihre Abhängigkeit von russischer Energie durch alternative Bezugsquellen und einen schnelleren Übergang zu erneuerbaren Energien baldmöglichst verringern und schließlich ganz aufgeben.
- Die Reaktionen der EU auf diesen neuen Kontext, werden sie veranlassen sich auf europäische public goods zu konzentrieren und neue Instrumente zu entwickeln, um diese zu finanzieren und die Solidarität unter den Mitgliedstaaten zu stärken.
- Sanktionen werden andauern oder eskalieren und eine substantielle Abnahme der russischen Öl- und Gasexporte bedingen, sei es durch eine Entscheidung der EU oder durch eine Entscheidung der russischen Regierung solche Exporte zu beschränken. Dies ist sowohl in geopolitischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein wichtiges Thema, auf das wir im nächsten Abschnitt näher eingehen werden.
Eine entscheidende Frage ist, ob die Europäische Union weiterhin einheitlich auf eine sich entwickelnde Krise reagieren wird. Während die anfängliche gemeinsame Reaktion stark war, haben sich innerhalb der EU Meinungsverschiedenheiten über die Angemessenheit von Sanktionen, insbesondere im Energiebereich, herausgebildet. Die Energiepolitik ist weitgehend ein nationales Vorrecht, und die Union verfügt nicht über die rechtlichen Mittel, um Differenzen durch eine Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit beizulegen. Unsere Arbeitshypothese ist, dass die Krise letztendlich gemeinsame Reaktionen auslösen und die Solidarität unter den Mitgliedsstaaten stärken wird.
Tabelle 1 fasst unsere Annahmen zusammen, unterschieden nach kurzfristigen und längerfristigen Effekten.
Im vorliegenden Policy Brief konzentrieren wir uns auf die kurzfristigen Folgen. Wir planen in einem späteren Paper auf die langfristigen Effekte zurückzukommen.
Die meisten der aufgestellten Hypothesen sind klar, doch manche bedürfen einer genaueren Betrachtung.
Exporte, ADI und Finanzbeziehungen
Die Exporte nach Russland sind deutlich zurückgegangen und werden in Folge einer Kombination aus EU-Sanktionen, von Russland erhobenen Restriktionen und Lieferproblemen wahrscheinlich weiter sinken. Anekdotische Evidenz deutet darauf hin, dass europäische Unternehmen auch ohne gesetzliche Beschränkungen bereits jetzt zurückhaltend sind, mit Russland zu handeln, da sie Probleme in der rechtlichen Abwicklung und bei der Bezahlung fürchten. Laut EU Handelsstatistik lagen die Güterexporte nach Russland im Jahr 2021 bei 89 Milliarden Euro; ein Exportstopp – als maximalistische Annahme – würde bei sonst gleichbleibenden Bedingungen eine Abnahme der Gesamtnachfrage nach EU-Gütern von 0,6 % des BIP 2019 2 bedeuten. Eine Reduktion der Güterexporte um 50% würde die gesamtwirtschaftliche Nachfrage um 0,3 % des BIP verringern.
Die Europäische Union ist auch für drei Viertel der ausländischen Direktinvestitionen in Russland verantwortlich, was Ende 2019 insgesamt mehr als 300 Milliarden Euro entsprach 3. Nehmen wir einen Verlust des halben Wertes dieser Investitionen an, so würde dies etwa 1 Prozent des BIP der EU und weniger als 2 Prozent ihres Bestands an ausländischen Direktinvestitionen ausmachen. Obwohl ein solcher Verlust für verschiedene Banken und Unternehmen von Bedeutung ist, kann ihm keine große makroökonomische Bedeutung beigemessen werden.
Während der globalen Finanzkrise 2008 spielten die Verbindungen zwischen den Finanzinstituten eine wesentliche Rolle, da der Ausfall eines Instituts den Ausfall eines Teils seiner Gläubiger auslöste. Obwohl Russland sichtbare Anstrengungen unternommen hat, seinen externen Verpflichtungen nachzukommen und die Wirtschaft zu stabilisieren, ist ein Zahlungsausfall der russischen Regierung nach wie vor möglich. Die Zeichen deuten jedoch darauf hin, dass dies vorraussichtlich nicht zu größeren Problemen für das EU-Finanzsystem führen wird. Tochtergesellschaften russischer Banken wurden bereits geschlossen und abgewickelt, ohne dass das Finanzsystem in Gefahr geriet.
Abgesehen von Energie und Lebensmitteln sind die Importe aus Russland und der Ukraine von geringer wirtschaftlicher Bedeutung. Ihre Unterbrechung kann jedoch zur umfassenderen Unterbrechung der Lieferketten aufgrund der Pandemie hinzukommen.
Geflüchtete
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Texte, beträgt der Zustrom von Geflüchteten 4,6 Milliarden Menschen (7,1 Millionen displaced persons in der Ukraine nicht mit einberechnet), überwiegend Frauen und Kinder (UNHCR 2022) 4. Die Abwanderung hält an (wenn auch langsamer), so dass eine Zahl von 5 Millionen, vielleicht auch mehr, plausibel ist.
Dies ist ein menschliches Drama gigantischen Ausmaßes und wirft große Probleme der Organisation und der Verteilung auf verschiedene Länder auf. Die zu erwartenden makroökonomischen Kosten scheinen jedoch relativ gering zu sein. Schätzungen der jährlichen Kosten für die Bereitstellung von Unterkünften, Nahrungsmitteln, Gesundheitsversorgung und Bildung für Flüchtlinge reichen von 9.000 € bis 25.000 € pro Person und Jahr 5. Geht man von Kosten in Höhe von 10.000 € pro Flüchtling (pro Jahr) aus, so belaufen sich die Kosten für die Finanzierung von 5 Millionen Flüchtlingen für ein Jahr auf 50 Milliarden € oder 0,35 % des BIP der EU. Selbst diese Zahl überschätzt die Kosten, denn innerhalb weniger Monate werden einige der Geflüchteten zurückkehren, andere werden Arbeit finden, und wieder andere werden aus der Europäischen Union auswandern.
Nahrungsmittel
Russland und die Ukraine sind wichtige Erzeuger und – was noch wichtiger ist – führende Exporteure von Nahrungsmitteln, insbesondere von Weizen 6. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) beliefen sich die russischen und ukrainischen Weizenexporte im Jahr 2019 auf 23 Prozent der weltweiten Exporte und 7 Prozent der Weltproduktion. In der Ukraine dürfte die Anpflanzung für die nächste Ernte schwierig sein; selbst auferlegte Beschränkungen könnten die russischen Exporte begrenzen. Verteilungsprobleme angesichts der Kämpfe in den Häfen am Schwarzen Meer könnten die Ausfuhren weiter verringern. Der Marktpreis für Weizen ist bereits um fast 50 % gestiegen, von 7,70 $ pro Scheffel vor dem Krieg auf 11 $, ein Niveau, das zuletzt 2008 und damals nur für wenige Tage erreicht wurde (Macrotrends 2022).
Für die Europäische Union als Nettoexporteur von Agrarerzeugnissen (2021 betrug ihr Handelsüberschuss laut Eurostat 2022 fast 50 Mrd. €) könnte sich der weltweite Preisanstieg durchaus positiv auf ihre Handelsbedingungen auswirken. Es sind jedoch zwei wichtige Vorbehalte zu beachten: Erstens könnte der Verlust für die EU-Verbraucher (im Gegensatz zur Europäischen Union als Ganzes, d. h. Erzeuger und Verbraucher zusammengenommen) beträchtlich sein, ein Thema, auf das wir in Abschnitt 3 zurückkommen. Zweitens haben die hohen Lebensmittelpreise bereits jetzt dramatische Folgen für viele Schwellen- und Entwicklungsländer, die sich auf ihr Wachstum und ihre makroökonomische Stabilität auswirken und möglicherweise auch die Europäische Union belasten könnten.
2 Das Energieproblem
Die wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen Russland und der EU resultiert überweigend daraus, dass Russland Europas wichtigster Versorger für fossile Energieträger ist. Bislang haben beide Seiten weitgehend darauf verzichtet, Energie als Druckmittel einzusetzen. Nun hat die Europäische Union am 8.April beschlossen, mit Wirkung ab dem 22. August russische Kohleimporte zu verbieten (Bown 2022). Einige EU-Länder sind bereits weiter gegangen, beispielsweise Polen, das am 30.März ankündigte, die Einfuhr jeglicher russischer Energie bis Ende 2022 zu beenden.
Denkt man die Entwicklung der Energiepreise als Funktion der russischen Entscheidungen und der möglichen Sanktionen, so ist es wichtig zwischen Öl (und Kohle) und Gas zu unterscheiden.
Öl und Gas
Energiedaten sind häufig verwirrend, wegen der unterschiedlichen Maßeinheiten, daher ist es sinnvoll mit einem kurzen Überblick zu beginnen. Die Energieversorgung der EU-27 (ohne UK) beruht im wesentlichen auf Öl (33 %, fast vollständig aus Importen), Gas (24 %, überwiegend aus Importen) und Kohle (12 %, überwiegend aus Importen) (Abb. 1). Weitere Energiequellen sind erneuerbare Energien (aus dem Inland), Atomkraft (im Wesentlichen aus dem Inland, Brennstoffe machen nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten aus) und importierter Strom. Russland ist ein wichtiger Versorger für Öl, Gas und Kohle.
Vor dem Krieg folgte der russische Exportpreis eng dem Weltmarktpreis für Brent, was eine hohe Substituierbarkeit anzeigt. Da Russland einer von vielen Öllieferanten der Europäischen Union ist, gehen wir davon aus, dass geringere EU-Importe aus Russland durch Importe aus anderen Ländern ersetzt werden können. Und geringere russische Exporte in den Westen können teilweise durch Ankäufe aus Indien und China ausgeglichen werden.
Im Gegensatz zu Öl ist der Gasmarkt regional. Es gibt, grob gesagt, drei Märkte auf der Welt: Europa, Nordamerika und Asien. Die Preise auf diesen Märkten hängen miteinander zusammen, da LNG in jeden dieser Märkte verschifft werden kann, können aber erheblich voneinander abweichen. Seit 2021 führt die hohe Nachfrage in Asien zu einer starken Abweichung zwischen dem nordamerikanischen Gaspreis und den Preisen in Asien und Europa (Abbildung 2).
Für die Erörterung der Auswirkungen einer EU-Sanktion ist daher der europäische Markt relevant, nicht der Weltmarkt. Gas wird hauptsächlich zur Stromerzeugung (1/3), in der Industrie und im Dienstleistungssektor (1/3) und von den Haushalten (ein kleineres Drittel) verwendet. Für einige Verwendungszwecke ist es sehr gut substituierbar (mit Gas erzeugter Strom kann durch Strom aus anderen Quellen ersetzt werden), für andere dagegen weniger gut (eine mit Gas betriebene Heizung kann kein Öl oder Kohle verbrennen). Im Durchschnitt macht russisches Gas 8,4 Prozent der Primärenergieversorgung in der Europäischen Union aus, allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Portugal beispielsweise importiert gar kein Gas aus Russland, während in Ungarn der Anteil des russischen Gases an der Primärenergieversorgung 28,5 Prozent ausmacht (Pisani-Ferry 2022).
Obwohl sie nicht vollständig vernetzt ist (Spanien und Portugal haben beispielsweise nur begrenzt Pipelineverbindungen nach Nordeuropa), können Preisunterschiede in der Europäischen Union durch interne Transaktionen von Importen aus dem Rest der Welt weitgehend ausgeglichen werden, sofern – was nicht selbstverständlich ist – eine politische Einigung darüber besteht 7. Im Folgenden betrachten wir den EU-Markt als einen einzigen Markt.
Nachdenken über die Preisbildung für Energie
Auch ohne Sanktionen könnte Russland bei der Gestaltung seiner Öl- und Gasexportpolitik strategisch vorgehen.
Beim Erdöl könnte es versuchen, seine Einnahmen zu erhöhen, um die Mehrausgaben im Zusammenhang mit dem Krieg zu finanzieren. Dies würde zu einem Anstieg des weltweiten Ölangebots und damit zu einem Rückgang des Weltmarktpreises führen. Russland wäre jedoch mit einer Reihe von Hindernissen konfrontiert: Ein zusätzliches Angebot wird derzeit durch die Schwierigkeiten bei der Platzierung von Frachten auf dem internationalen Markt limitiert (was sich im Preisunterschied zwischen Ural- und Brent-Öl widerspiegelt). Außerdem ist Russland Mitglied der OPEC+-Koalition, wodurch seine Möglichkeiten zur Exportsteigerung ebenfalls eingeschränkt werden.
Im Falle von Gas ist ein subtilerer Effekt von Bedeutung. Die Europäische Union bemüht sich, ihre Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern, doch ihre Ankündigung, die Importe bis Ende 2022 um zwei Drittel zu senken, ist optimistisch 8. Auf der Angebotsseite kann ein Teil des russischen Gases durch Gas aus Norwegen, Algerien und Aserbaidschan ersetzt werden, allerdings verfügen diese Länder nur über begrenzte Kapazitäten. Der Rest muss per Schiff als LNG geliefert werden, kurzfristig ist die Zahl der LNG-Schiffe jedoch begrenzt, so dass zusätzliche Lieferungen nur durch die Umleitung von für Asien bestimmten Transporten möglich sind. Auf der Nachfrageseite wird die Möglichkeit, Gas durch alternative Energieträger zu ersetzen, auch durch die vorhandenen technischen Strukturen bestimmt. Aktuelle Untersuchungen (IEA 2022b, McWilliams et al. 2022) kommen zu dem Schluss, dass die Europäische Union in diesem und im kommenden Jahr die russischen Gasimporte nicht vollständig ersetzen kann 9. Kurzfristig ist die EU-Nachfrage nach Gas also relativ unelastisch, und unter plausiblen Annahmen könnte die Preiselastizität der EU-Nachfrage nach russischem Gas (Gesamtnachfrage abzüglich der Importe aus der übrigen Welt) durchaus weniger als eins betragen.
Unter den üblichen Monopolannahmen würde eine solch geringe Elastizität Russland dazu veranlassen, einen sehr hohen Preis festzusetzen, selbst wenn kein Krieg herrscht 10. Der Grund dafür, dass Russland dies in der Vergangenheit nicht getan hat, liegt darin, dass die langfristige Elastizität sicherlich größer als eins ist. Es ist also mit einem intertemporalen Kompromiss konfrontiert: Ein sehr hoher Preis erhöht kurzfristig die Einnahmen, senkt sie aber langfristig. Der Krieg wirkt in zweierlei Weise auf dieses Kalkül. Erstens durch die schon beschriebene Notwendigkeit höherer Einnahmen in der Gegenwart, was zu einer Erhöhung des Preises führt. Zweitens verringert die Antizipation künftiger Sanktionen und der klare Beschluss der Europäischen Union, sich von russischen Gasexporten zu verabschieden, die Auswirkungen einer Preiserhöhung auf künftige Einnahmen, was Russland wiederum dazu veranlasst, den Preis zu erhöhen, solange die Nachfrage noch vorhanden ist.
Kurz gesagt: Ungeachtet der Sanktionen könnte Russland die Einnahmen aus Energieexporten erhöhen wollen. Doch während dies bei Öl eine Erhöhung des Exportvolumens bedeuten würde (angesichts des Weltmarktpreises), ginge es beim Gas um eine Erhöhung der Preise (und damit eine Verringerung der Exportmengen). Zwar schließen langfristige Gasverträge ein solches Vorgehen gewöhnlich aus, da sie die Indexierung der Preise an den TTF-Marktpreis (Title Transfer Facility) vorsehen. Russland verfügt jedoch über einen gewissen Spielraum, um einen Teil seines Angebots von Lieferungen im Rahmen bestehender Verträge auf freie Verkäufe umzustellen. Zudem können Verträge grundsätzlich geändert werden.
Auch für Sanktionen, egal ob es sich um Embargos oder Strafzölle handelt, ist die Marktstruktur von grundlegender Bedeutung, und die Auswirkungen auf die Erdöl- und Erdgasexporte müssen getrennt diskutiert werden.
Sanktionen: Öl
Um Russland zu sanktionieren, könnte die Europäische Union es den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich gleichtun und ein Embargo gegen russisches Öl verhängen. Dies wäre der einfachste Ansatz, da ein europäisches Embargo die derzeitige Zurückhaltung von Energieunternehmen, Reedern, Banken und Versicherern gegenüber russischen Exporten verstärken würde. Eine solche Maßnahme würde Russland nicht gänzlich am Export hindern – es würde alternative Abnehmer wie China, Indien oder andere finden, wie bereits geschehen –, aber ein Embargo würde mit Sicherheit den Abschlag auf russisches Öl erhöhen, so wie wir es jetzt schon beim Ural-Preisabschlag sehen. In anderen Worten: Die westliche Strategie würde darin bestehen, russisches Öl auf dem Markt zu halten und gleichzeitig Wege zu finden, um den Preis zu drücken (was sie bereits weitgehend tut). Wenn die russischen Exporte insgesamt zurückgingen, würde der Weltmarktpreis steigen, es sei denn, der Rückgang der russischen Exporte würde durch die Erhöhung der Produktion durch andere Produzenten, von Saudi-Arabien über den Iran bis Venezuela, ausgeglichen.
Der Anstieg des Weltmarktpreises würde letztlich davon abhängen, ob Russland in der Lage ist, andere Käufer zu finden, und ob andere Länder beschließen, mehr zu verkaufen. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie preisliche Auswirkungen vom Rückgang des weltweiten Angebots abhängen, lohnt sich ein Blick in die Geschichte.
Das OPEC-Embargo von 1973 verringerte das weltweite Angebot um 7 Prozent und führte zu einem Preisanstieg von 51 Prozent. Die iranische Revolution von 1978 verringerte das weltweite Angebot um 4 Prozent und führte zu einem Preisanstieg von 57 Prozent. Der Iran-Irak-Krieg von 1980 verringerte das weltweite Angebot um 4 Prozent und führte zu einem Preisanstieg von 45 Prozent. Der Golfkrieg 1990 verringerte das weltweite Angebot um 6 % und führte zu einem Preisanstieg von 93 % (Hamilton 2022). Der Anteil Russlands an der Weltproduktion lag 2019 bei etwa 13 %, seine Exporte machten einen ähnlichen Anteil am Welthandel aus. Ein starker Rückgang des russischen Angebots, der nicht durch einen Anstieg des Angebots in anderen Ländern ausgeglichen wird, hätte also dramatische Auswirkungen auf den Preis (BP 2021) 11.
Die Geschichte ist jedoch möglicherweise kein verlässlicher Indikator. Die Auswirkungen eines geringeren Angebots hängen von der Elastizität sowohl des nicht-russischen Ölangebots als auch der weltweiten Nachfrage nach Öl ab. Und beides dürfte sich von dem unterscheiden, was in den 1970er oder 1990er Jahren galt.
Die Preiselastizität des Angebots hat seit den oben genannten Ereignissen zugenommen, vor allem seit die USA mit der Förderung von Schieferöl begonnen haben. Es dauert jedoch eine gewisse Zeit, bis neue Bohrungen die Produktion erhöhen.
Die Preiselastizität der Nachfrage könnte sich verringert haben, da Erdöl zunehmend dort verwendet wird, wo es keine Substitute gibt (z. B. als Treibstoff für Kraftfahrzeuge und Flugzeuge). Und staatliche Maßnahmen zum teilweisen Schutz der Käufer, seien es Unternehmen oder Konsumenten, könnten die Nachfrageelastizität weiter senken.
Wie in Abschnitt 4 erörtert, haben mehrere Regierungen Ende 2021 und erneut seit Beginn des Russland-Ukraine-Krieges energiebezogene Transfers und Subventionen eingeführt. In dem Maße in dem diese das Preissignal beeinflussen, verringern solche Maßnahmen die Nachfragereaktion. Dies ist nicht von Bedeutung, wenn ein kleines Land isoliert subventioniert. Wenn dagegen viele Länder subventionieren – dies wäre der Fall, wenn die Europäische Union sich den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich bei der Gewährung von Subventionen anschließt -, wird dies zwangsläufig zu einem stärkeren Anstieg des Weltmarktpreises führen.
Sanktionen: Gas
Die Marktstruktur für Gas kann so gedeutet werden, dass ein monopolistisches Russland einer großen Anzahl von EU-Käufern gegenübersteht, die grundsätzlich Gas aus anderen Quellen beziehen können, jedoch nur zu stark steigenden Kosten. Wie wir gesehen haben, könnte Russland auch ohne Sanktionen seinen Preis erhöhen und das Angebot reduzieren wollen. Fraglich ist nun, was passieren würde, wenn die Europäische Union Sanktionen verhängen würde, am ehesten in Form von Strafzöllen auf russische Exporte 12. Das wäre ein starkes Signal, dass die EU-Mitgliedstaaten bereit sind, Russland gemeinsam entgegenzutreten. Die Freiheit privater Verträge bliebe gewahrt und wäre rechtlich umsetzbar, da die Europäische Union (wie auch die Vereinigten Staaten und andere Länder der Koalition zur Unterstützung der Ukraine) Russland den Status als Most Favored Nation entzogen hat. Wir gehen davon aus, dass als Reaktion darauf private Verträge entweder gebrochen oder neu ausgehandelt würden.
In diesem Kontext hängt die Wirkung des Strafzolls von der Elastizität der Nettonachfrage ab (die Nachfrage nach russischem Gas abzüglich der Lieferung von nicht-russischem Gas in die Europäische Union). Im Allgemeinen wird ein Zoll die Verbraucherpreise erhöhen, jedoch weniger als eins zu eins; analog dazu wird er den Preis vor dem Zoll senken, jedoch weniger als eins zu eins.
In dem besonderen Fall, dass die Elastizität der EU-Nachfrage konstant ist, wird Russland seinen Preis (vor dem Zoll) unverändert lassen, was zu einem Anstieg der Verbraucherpreise im Verhältnis eins zu eins und zu einem Rückgang der Nachfrage führt. Die russischen Einnahmen werden mit der sinkenden Nachfrage sinken. Im Falle einer linearen Nachfrage wird die Auswirkung des Zolls auf den Verbraucherpreis weniger als eins zu eins sein – Russland wird seinen Preis vor dem Zoll senken, aber weniger als eins zu eins. Die Nachfrage wird weniger stark zurückgehen als im Fall einer konstanten Elastizität. Die russischen Einnahmen werden aufgrund der geringeren Nachfrage und der niedrigeren Preise vor dem Tarif sinken.
Interessanterweise kann ein geringer Strafzoll den Wohlstand in der EU sogar erhöhen: Die Verbraucher zahlen zwar mehr, doch die Einnahmen aus den Zöllen sind höher als die zusätzlichen Ausgaben, so dass es den Käufern bei entsprechender Umverteilung besser gehen kann 13. Höhere Zölle wirken sich nachteilig auf die russischen Einnahmen, aber auch auf die EU-Wohlfahrt aus. Unter der Annahme einer linearen Nachfrage ermittelt Daniel Gros (2022), dass ein 30-prozentiger Zoll auf russisches Gas die Wohlfahrt der EU maximieren würde. Über diesen Satz hinaus würde der Zoll die Wohlfahrt der EU verringern, könnte aber auch die russischen Einnahmen erheblich schmälern. Gros kommt zu dem Ergebnis, dass ein 60-prozentiger Zoll die russischen Gasexporteinnahmen um drei Viertel reduzieren würde, allerdings mit gewissen Wohlfahrtskosten für die Europäische Union.
3 Rohstoffpreissteigerungen, Inflation und Realeinkommen
Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass die künftige Entwicklung der Öl- und Gaspreise von vielen Faktoren abhängt, die sowohl die Entscheidungen Russlands als auch die Wahl und die Intensität der Sanktionen beeinflussen, und daher mit großer Unsicherheit behaftet ist. Wir sind weniger pessimistisch als die jüngste Prognose der Deutschen Institute für Wirtschaftsforschung (2022), die in ihrem zentralen Szenario einen Brent-Preis von 135 $ pro Barrel und eine Verdoppelung des Gaspreises in Europa auf 200 € pro MWh annimmt. Im weiteren Verlauf dieses Beitrags gehen wir davon aus – obgleich wir uns der damit verbundenen Unsicherheit bewusst sind -, dass russische Entscheidungen und strengere Sanktionen zu einem Anstieg der Öl- und Gaspreise um 25 Prozent gegenüber dem Vorkriegsniveau führen werden.
Rohstoffpreiserhöhungen hat es in der Vergangenheit schon oft gegeben. Betrachten wir nur die Ölpreise: Der Preis für die Sorte Brent stieg von 10,30 US-Dollar pro Barrel im Februar 1999 auf 133 US-Dollar im Juni 2008 und dann von 40 US-Dollar im Dezember 2008 auf 123 US-Dollar im April 2011. Bis August 2014 blieb er über 100 $. In Anbetracht der Inflation seit 2014 entsprechen 100 US-Dollar damals heute 120 US-Dollar, so dass der aktuelle reale Ölpreis noch nicht die historischen Rekordwerte erreicht hat (Abbildung 3) 14.
Infolgedessen haben Ökonomen ein gutes Verständnis für die wirtschaftlichen Konsequenzen von Rohstoffpreissteigerungen.
Inflation
Die unmittelbare und sichtbarste Auswirkung ist in der Tat der Einfluss auf die Inflation. Der Effekt kann ziemlich groß sein. Im Jahr 2021 entfielen 9,6 Prozent der persönlichen Konsumausgaben in der Eurozone auf Strom, Heizstoffe und Kraftstoffe für Verkehrsmittel. Nahrungsmittel machten im Durchschnitt 15,7 Prozent des Warenkorbs aus 15. Somit ist der Anteil des Verbrauchs, der den direkten Auswirkungen von Preiserhöhungen ausgesetzt ist, hoch.
Empirische Schätzungen deuten darauf hin, dass der Anstieg der Rohstoffpreise nur teilweise, aber dafür rasch auf die Verbraucherpreise durchschlägt. In einer detaillierten Eurosystem-Studie aus dem Jahr 2010 (EZB 2010) wurde bei einem Ölpreis von rund 100 US-Dollar pro Barrel eine Elastizität der Energiekomponente des HVPI (harmonisierter Verbraucherpreisindex) gegenüber dem Ölpreis von 0,4 festgestellt (was größtenteils auf preisunempfindliche Verbrauchssteuern zurückzuführen ist), die zu 90 Prozent innerhalb eines Monats wirksam wurde. Diese Schätzungen sind jedoch nicht mehr auf dem neuesten Stand, da sie von einer Indexierung des Gaspreises an den Ölpreis (die inzwischen abgeschafft wurde) und einer Starrheit des Strompreises (die nicht mehr gilt) ausgehen (EZB 2010, Tabelle 9).
Nehmen wir also für den Anteil der Energie am privaten Verbrauch 10 % an und unterstellen wir einen Pass-Through von 50 %. Die direkte Auswirkung des angenommenen 25-prozentigen Preisanstiegs liegt dann bei 25 Prozent × 0,1 × 0,5 = 1,25 Prozent. Bei den Nahrungsmitteln gehen wir von einem Anteil von 15 %, einem Anstieg von 10 % und einem Pass-Through von ebenfalls 50 % aus. Die Auswirkung ist 10 Prozent × 0,15 × 0,5 = 0,75 Prozent. Dies bedeutet eine Verteuerung des Warenkorbs um 2 %.
Diese Erstrundeneffekte lassen sich kaum vermeiden, sind aber nur der Anfang. Die nachfolgenden Runden spiegeln die Reaktionen von Unternehmen und Arbeitnehmern wider. Produzenten von Waren, die Energie oder landwirtschaftliche Erzeugnisse als Input verwenden, erhöhen ihre Preise, um ihre Gewinnspannen wiederherzustellen. Arbeitnehmer, deren Löhne in der ersten Runde hinter den Verbraucherpreisen zurückgeblieben sind, fordern Nominallohnerhöhungen, um ihren Reallohn wiederherzustellen. Dies führt zu weiteren Preis- und Lohnsteigerungen. Wie stark diese weiteren Runden ausfallen, hängt davon ab, wie sehr sich die Unternehmen bemühen, die Gewinnspannen wiederherzustellen, und wie sehr sich die Arbeitnehmer bemühen, ihren Reallohn zu halten. Denn wenn die Rohstoffpreise hoch bleiben, sinkt der Inflationsdruck nur, wenn entweder die Unternehmen, die diese Rohstoffe verwenden, niedrigere Gewinnspannen und/oder die Arbeitnehmer niedrigere Reallöhne akzeptieren. Wie wir im weiteren sehen werden, hängt die Entwicklung von Inflation und Wirtschaftstätigkeit im Laufe der Zeit sowohl von der Geld- als auch von der Fiskalpolitik ab.
Realeinkommen
Diese Inflationsdynamik tritt unabhängig davon auf, ob eine Volkswirtschaft diese Waren produziert oder importiert. Ob eine Volkswirtschaft Nettoimporteur ist oder nicht, macht jedoch einen großen Unterschied für die Entwicklung des gesamten Realeinkommens. Nehmen wir den Fall der Vereinigten Staaten, die ihren Energiebedarf im Wesentlichen aus dem Inland decken. Ein Anstieg der Energiepreise schlägt sich in einem Rückgang des Realeinkommens der Energienutzer (Verbraucher und Unternehmen) und einem Anstieg des Realeinkommens der Energieerzeuger (und ihrer Aktionäre) nieder. Der Effekt auf das US-Realeinkommen insgesamt ist ungefähr gleich Null. Die Auswirkungen auf die Gesamtnachfrage hängen von der marginalen Konsumquote der Energieverbraucher und -erzeuger ab und können demnach zu- oder abnehmen. Die Europäische Union hingegen importiert fast das gesamte von ihr verbrauchte Gas und Öl, so dass ein Preisanstieg zu einem Rückgang des Realeinkommens der Energieverbraucher und zu einem Anstieg des Realeinkommens ausländischer Erzeuger führt, die wahrscheinlich nicht viel für EU-Waren ausgeben werden. Ein Preisanstieg bei diesen Gütern wird sich daher wahrscheinlich sehr nachteilig auf die Inlandsnachfrage auswirken. In beiden Fällen könnten die Energienutzer, insbesondere die Verbraucher, schlechter gestellt sein. Die Auswirkungen auf die Gesamtnachfrage hängen jedoch davon ab, ob das Land ein Nettoimporteur ist oder nicht.
Es ist sinnvoll, über die Auswirkungen von Öl- und Gaspreiserhöhungen auf das Realeinkommen in der EU nachzudenken und ein Gefühl für die Größenordnungen zu bekommen.
Beginnen wir mit Öl. Die Ölmärkte scheinen davon auszugehen, dass die Verringerung des weltweiten Angebots begrenzt sein wird. Der Preis für die Sorte Brent lag am Tag vor Kriegsbeginn bei 99 $ pro Barrel, gegenüber 78 $ Anfang 2022; er stieg kurzzeitig auf 133 $ an, lag aber zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts (14. April) bei 110 $ 16. Angenommen, der Preis steigt von 78 $ auf 100 $, also um etwa 25 %. Die Ölimporte (aus Russland und anderen Ländern) der EU-27 beliefen sich im Jahr 2021 auf 5.900 Millionen Barrel. Ein solcher Preisanstieg würde für die Europäische Union einen Rückgang des Realeinkommens um 5.900 *0,25*100/1,1 (für den Dollar-Euro-Wechselkurs) bedeuten, also 120 Milliarden Euro oder 0,9 Prozent des BIP 2019 17.
Auch die Gasmärkte haben sich von den hohen Preisen im Februar erholt, bleiben aber auf hohem Niveau. Gehen wir davon aus, dass der prozentuale Anstieg des durchschnittlichen Gaspreises in der Europäischen Union dem des Ölpreises entspricht, also etwa 25 %. Die Gasimporte (aus Russland und anderen Ländern) beliefen sich im Jahr 2021 auf 170 Milliarden Euro. Das bedeutet einen Rückgang des Realeinkommens der Europäischen Union um 170 * 0,25 ≈ 42 Mrd. EUR oder 0,3 % des BIP 2019.
Unter diesen relativ moderaten Annahmen würde der kriegsbedingte Anstieg der Öl- und Gaspreise das Realeinkommen der Europäischen Union um etwas mehr als 1 % des BIP schmälern. Das käme jedoch zu den Auswirkungen der bisherigen Preiserhöhungen seit 2019 hinzu. Insgesamt – und ohne Berücksichtigung der Sperrfrist im Jahr 2020, in der Preise und Mengen eingebrochen sind – hätten die Energieimporte der EU, die 2019 2,6 % des BIP betrugen, mehr als 5 % des BIP erreicht, wenn die Preise auf dem Niveau von Anfang 2022 geblieben wären. Auf der Grundlage unserer Annahmen würden sie auf mehr als 6 % steigen 18. Nach jedem Standard ist dies ein großer makroökonomischer Schock mit schwerwiegenden Konsequenzen für Einkommen, Produktion und Inflation. Diese Konsequenzen wollen wir im weiteren näher betrachten.
Verteilungseffekte
Neben dem kumulierten Verlust an Realeinkommen sind auch Verteilungseffekte von Bedeutung. Der Konsum von Gas, Versorgungsleistungen und Lebensmitteln (als Anteil am Gesamtkonsum) ist bei Haushalten mit niedrigem Einkommen höher als bei Haushalten mit hohem Einkommen. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Ländern: Auf der Grundlage der Eurostat-Daten ist der Unterschied in den skandinavischen Ländern gering, z.B. 26 Prozent für das unterste Einkommensquintil gegenüber 25 Prozent für das oberste Quintil in Dänemark. In Frankreich und Deutschland ist er größer: 25 Prozent gegenüber 21 Prozent in Frankreich, 26 Prozent gegenüber 21 Prozent in Deutschland. In den ärmeren Ländern ist sie sogar noch größer, z.B. 31 % gegenüber 23 % in Spanien und 50 % gegenüber 37 % in Bulgarien 19 20. Zudem sind die Konsummuster der Haushalte mit niedrigem Einkommen oft starrer, da ein größerer Teil ihres Einkommens für Mieten und andere monatliche Zahlungen aufgewandt wird, die nicht ohne weiteres geändert werden können. Neben von den Gesamteffekten auf Produktion und Inflation muss also auch berücksichtigt werden, dass arme Haushalte stärker unter einem Anstieg der Rohstoffpreise leiden als reichere. Dies hat klare Implikationen für die Fiskalpolitik.
4 Implikationen für die Politik
Wir wenden uns endlich den Reaktionen der Fiskal- und Geldpolitik zu. Kurzfristig ist die wesentliche Frage – und Grund für potentiell hohe Ausgaben – ob und wie Konsumenten von Rohstoff-Preiserhöhungen geschützt werden können.
Steuer- und Transfermaßnahmen
Unter unseren Annahmen beträgt der mediane Preisanstieg des Warenkorbs, bei gegebenen Löhnen, in etwa 2 % 21. Doch die Abnahme des Realeinkommens für die unterste Einkommensquintile der am stärksten betroffenen Länder (z.B. die Slowakei) war doppelt so hoch, 4 Prozent. Das ist eine sehr große Zahl, wenn man weiß dass die Verteilung von Einkommenseffekten auf Haushalte, in Abhängigkeit von den Lebensbedingungen, selbst innerhalb einer Einkommensstufe hoch sein kann und berücksichtigt, das die Anstiege der Güterpreise höher sein können als in unserer Annahme 22.
Die Frage ist dann, wie sehr und auf welche Weise die Haushalte geschützt werden können. Seit die Energiepreise Ende 2021 angestiegen sind, haben die EU-Mitgliedsstaaten eine Reihe von Programmen eingeführt, die alle darauf abzielen den Schock zu dämpfen. Diese Programme können in drei Kategorien gefasst werden 23.
Vorübergehende Senkung der Energiesteuern. Eine erste Möglichkeit sind direkte Pauschalsubventionen, zum Beispiel in Form von Senkungen oder Rückerstattungen der in den meisten EU-Ländern hohen Energiesteuern. Frankreich beispielsweise hat im Februar eine einjährige Senkung der Stromsteuer (mit Kosten in Höhe von 8 Milliarden Euro oder 0,3 Prozent des BIP) und am 1. April eine Senkung der Benzinsteuer um 15 Cent pro Liter für einen Zeitraum von vier Monaten eingeführt, mit geschätzten Kosten von 2,2 Milliarden Euro, etwa 0,1 Prozent des BIP 24. Diese Subvention ist als Notlösung gedacht, bis im Frühsommer ein gezielteres System eingeführt wird. Sie ist gut sichtbar, was ein politischer Vorteil ist. Ähnliche befristete Senkungen der Verbrauchersteuern wurden bereits anderswo eingeführt, insbesondere in Deutschland, wo am 23. März die Benzinsteuer um 30 Cent pro Liter gesenkt wurde 25.
Pauschale Transfers. Ein alternativer Ansatz ist die Bereitstellung von Transferleistungen, die unabhängig vom Verbrauch von Lebensmitteln, Öl und Gas sind. Deutschland beispielsweise führte am 23. März eine universelle Energiepreis-Pauschale von 300 € pro Person plus Zuschläge für Kinder ein. Frankreich führte im vergangenen Jahr eine Inflationsabgeltung von 100 € ein, die automatisch an Personen mit einem Einkommen von höchstens 2.000 € im Monat gezahlt wird und 3,8 Mrd. € bzw. etwa 0,2 % des BIP kostet 26. Es ist unwahrscheinlich, dass solche Maßnahmen die Marktpreise für Lebensmittel, Öl und Gas wesentlich beeinflussen (nur in dem Maße, in dem das zusätzliche Einkommen für diese Güter ausgegeben wird), so dass die Transfers hauptsächlich an die Verbraucher und nicht an die Rohstoffproduzenten gehen.
Möglicherweise lassen sich die Transfers gezielter einsetzen, um diejenigen besser zu schützen, die sowohl ein geringes Einkommen haben als auch einen größeren Teil davon für Lebensmittel, Öl und Gas ausgeben. Im Falle von Strom könnte man beispielsweise die Transfers proportional zur letzten Stromrechnung gestalten und sie in Kombination mit den Informationen über das Haushaltseinkommen auf diejenigen beschränken, deren Einkommen unter einer bestimmten Schwelle liegt. Oder es könnten Benzinschecks – ein bestimmter Geldbetrag, der nur für Energie oder Benzin ausgegeben werden darf – ausgestellt werden; in der Tat gibt es in Frankreich einen Energie-Scheck und in den Vereinigten Staaten wird ein Benzin-Scheck diskutiert. Sofern der Scheck geringer ist als die Energieausgaben des Empfängers, hat diese Maßnahme keinen Einfluss auf den Grenzpreis, mit dem er konfrontiert ist, und somit auch keine Anreize zur Verringerung des Energieverbrauchs. Die politische Akzeptanz könnte jedoch geringer sein als bei pauschalen Subventionen.
Preisregulierung. Ein weiterer Ansatz besteht darin, einige Preise, wie den Strompreis, von den marginalen Kosten zu entkoppeln. Die Frage ist angesichts der extrem starken Schwankungen des Marktpreises für Erdgas – das die relevanten Grenzkosten bei der Stromerzeugung darstellt – besonders brisant geworden. Vor allem Spanien hat die inflationäre Wirkung der Strompreise lautstark kritisiert und im März die Genehmigung der EU erhalten, die iberische Halbinsel vorübergehend vom EU-Strommarkt abzukoppeln. Frankreich hat den größten Stromversorger des Landes aufgefordert, den Preisanstieg für 2022 auf 4 Prozent zu begrenzen und die Nachfrage zu diesem Preis zu befriedigen, wodurch das Unternehmen einen großen Teil der Kosten übernehmen muss, was zu einem großen erwarteten Rückgang des Cashflows und einem großen Rückgang des Marktwerts führt. Dies führt zu einer Ineffizienz, da der Preis unter den marginalen Kosten liegt, ermöglicht aber einen potenziell großen Anstieg der Konsumentenrente – auf Kosten eines größeren Rückgangs der Produzentenrente. Unter dem Gesichtspunkt der Wohlfahrt kann der Gewinn an Realeinkommen der Verbraucher den Effizienzverlust durchaus überwiegen 27.
Mögliche perverse Effekte von Subventionen
Es gibt zwei wesentliche Einwände gegen Subventionen. Der erste besteht darin, dass sie die Nachfrage nach Energie erhöhen und so dazu beitragen, die Energiepreise hoch zu halten 28. Das Problem ist aus der gängigen Diskussion über die Steuerinzidenz bekannt. Betrachten wir die Subventionen für verschiedene Verwendungszwecke von Öl. Die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise hängen davon ab, was mit dem Marktpreis für Öl geschieht. Verwendet nur ein Land solche Subventionen und ist es im Verhältnis zum Weltmarkt klein, so wird sich der Weltmarktpreis nicht ändern und die Subvention wird sich eins zu eins in einem niedrigeren Verbraucherpreis niederschlagen. Wenn jedoch alle EU-Länder und möglicherweise auch andere Länder wie die Vereinigten Staaten solche Subventionen einführen, so ist die maßgebliche Angebotskurve die Weltangebotskurve, die auf kurze Sicht unelastisch ist. Im Extremfall, wenn die Angebotskurve völlig unelastisch ist, wird die Wirkung darin bestehen, den Marktpreis eins zu eins zu erhöhen und den Verbraucherpreis unberührt zu lassen 29. Mit anderen Worten: Die Subventionen gehen an die Ölproduzenten, einschließlich Russland. In der Praxis wird das Ergebnis wahrscheinlich weniger als eine eins zu eins Auswirkung der Subventionen auf die Marktpreise sein, aber es ist immer noch unattraktiv.
Der zweite, spezifischere, aber höchst relevante Einwand lautet, dass Subventionen einem möglichen zukünftigen Strafzoll zuwiderlaufen und Russlands Position in seiner Konfrontation mit der Europäischen Union stärken könnten. Wie im vorangegangenen Abschnitt erörtert, würde ein Strafzoll auf Gas sowohl den Preis als auch das Volumen der russischen Exporte senken, während die entsprechenden Einnahmen dazu verwendet werden könnten, die Auswirkungen auf die Verbraucher abzumildern. Die Frage ist jedoch, wie diese Subvention gestaltet werden sollte. Eine direkte inländische Gaspreissubvention, wie etwa eine Senkung der indirekten Gassteuern, würde die Nachfrage nach Gas und den von Russland verlangten Preis erhöhen und so die Auswirkungen der Zölle ausgleichen. Die Regierungen sollten die Einnahmen aus einem Zoll auf russisches Gas nicht dazu verwenden, den Energieverbrauch in einer Weise zu subventionieren, die den Grenzpreis für Gas auf dem europäischen Markt senkt. Sie sollten sich vielmehr auf Transferregelungen stützen, die den Grenzpreis nicht beeinflussen.
Steuern vs. Schuldenfinanzierung
Die nächste Frage ist, inwieweit die fiskalischen Maßnahmen durch zusätzliche Steuern oder durch Fremdfinanzierung finanziert werden sollten. Zolleinnahmen könnten hilfreich sein, aber wie wir bereits erörtert haben, dürften die Zölle bei Öl kaum Einnahmen bringen; bei Gas werden sie wahrscheinlich mehr einbringen.
Die unmittelbaren diskretionären Haushaltsausgaben bestehen im Wesentlichen aus Beschaffungen im Verteidigungsbereich (einschließlich der Lieferung von Waffen an die Ukraine), Hilfe für Flüchtlinge, Maßnahmen zur Unterstützung der Haushalte und Notfallinvestitionen zur Anpassung des Energiesystems. Unter unseren Preisannahmen sind die fiskalischen Kosten gering bis überschaubar: Im Jahr 2022 dürften sie ein Sechstel eines Prozentpunkts des EU-BIP für die Verteidigung, ein Drittel für die Flüchtlingshilfe und, je nach den Entscheidungen der einzelnen Mitgliedstaaten, zwischen einem halben und einem ganzen Prozentpunkt für Maßnahmen zur Unterstützung der Haushalte nicht überschreiten 30. Eine schwierigere Frage ist, wieviel Investitionen in die Notstromversorgung kosten könnten. Wir haben keine genaue Schätzung, gehen aber davon aus, dass sie einen halben Prozentpunkt nicht überschreiten dürften. Insgesamt dürften die diskretionären fiskalischen Kosten des Krieges also zwischen 1,5 und 2,0 % des BIP liegen. Dies wäre weniger als die Hälfte der fiskalischen Kosten der Pandemie-Unterstützungsmaßnahmen, die sich in Europa im Jahr 2020 typischerweise auf 4 % des BIP beliefen.
Sollten diese zusätzlichen Ausgaben durch Steuern oder Schulden finanziert werden?
Aus herkömmlichen finanzpolitischen Gesichtspunkten gibt es gute Argumente dafür, teilweise auf eine Schuldenfinanzierung zurückzugreifen. Ein Teil des Ausgabenanstiegs wird wahrscheinlich vorübergehend sein, was eine Steuerglättung rechtfertigt.
Aus Sicht der politischen Ökonomie ist der Gedanke einer Kriegssteuer – einer „Putin-Steuer“, wie sie Präsident Biden in den Vereinigten Staaten genannt hat, obwohl er sich eher auf die Verringerung des Realeinkommens als auf eine explizite Steuer bezog – möglicherweise weniger unpopulär als unter anderen Umständen und unterstreicht den Punkt, dass ein Krieg, selbst ein Wirtschaftskrieg, entgegen der derzeitigen Wahrnehmung in Westeuropa nicht kostenlos ist.
Unter dem Gesichtspunkt der makroökonomischen Stabilisierung spricht vieles dafür, sich weitgehend auf eine Schuldenfinanzierung zu verlassen. Der Rückgang des Realeinkommens in der Europäischen Union ist beträchtlich und wird wahrscheinlich zu einem geringeren Konsum führen. Die Exportnachfrage aus Russland wird voraussichtlich drastisch sinken. Die größere Unsicherheit, die während der Covid-Krise eine große Rolle bei der Verringerung von Konsum und Investitionen gespielt hat, könnte erneut eine wesentliche Rolle spielen. Um die höheren Ausgaben auszugleichen, werden wahrscheinlich fiskalische Unterstützung und der Rückgriff auf Schuldenfinanzierung statt auf Steuererhöhungen erforderlich sein 31.
Dies wirft die übliche Frage nach der Tragfähigkeit der Verschuldung auf (eine Frage, die einer der Autoren in anderen Schriften ausführlich behandelt hat) 32. Es mag zwar durchaus sein, dass eine nachlassende Inflation vorübergehend höhere Realzinsen erfordert, doch die Faktoren, die hinter den niedrigen neutralen Realzinsen stehen, haben sich nicht geändert, und – vorausgesetzt, die Inflation bleibt unter Kontrolle, so dass das Inflationsrisiko nicht anfängt, in die realen Anleihezinsen eingepreist zu werden – sollte der neutrale Zinssatz nach einem Anstoß mittelfristig niedrig bleiben. Bislang hat sich gezeigt, dass die 10-jährigen Benchmark-Anleihezinsen seit Kriegsbeginn nur um 50 Basispunkte gestiegen sind, was angesichts des Ausmaßes des geopolitischen und wirtschaftlichen Schocks eine begrenzte Anpassung nach oben darstellt (Abbildung 4).
Kurzfristig dürfte die Schuldendynamik äußerst günstig bleiben. Die März-Prognosen der EZB (2022a) für das reale BIP-Wachstum, die nominalen Leitzinsen und die Inflation im Euroraum für 2022 liegen bei 3,7 %, 0,8 % (für die 10-jährige Rendite) und 5,1 %. Dies impliziert einen Wert für (r – g) von (0,8 Prozent – 5,1 Prozent – 3,7 Prozent) = -8 Prozent 33. In Verbindung mit einer Schuldenquote von 98 % würde dies den EU-Regierungen insgesamt erlauben, Primärdefizite von 8 % zu erzielen, während die Schuldenquoten konstant bleiben. Es besteht also ein erheblicher Spielraum, um bei Bedarf vorübergehend größere Defizite zu erzeugen.
Geldpolitik
Der typische Ratschlag an eine Zentralbank, die mit einem Anstieg der Rohstoffpreise konfrontiert ist, lautet, die Erstrundeneffekte abzufedern (gegen die sie ohnehin nicht viel ausrichten kann) und die Folgerundeneffekte zu begrenzen, gegebenenfalls durch eine geringere Produktion und höhere Arbeitslosigkeit, bis die Inflation wieder dem Zielwert entspricht (Blanchard und Galí 2007).
Man kann davon ausgehen, dass die Unternehmen ihren Gewinnaufschlag schließlich wiederherstellen werden. Wie stark die Zentralbank eingreifen und die Konjunktur bremsen muss, hängt also sehr stark vom Verhalten der Löhne ab. Nachdem ihre Reallöhne in der ersten Runde gesunken sind, werden die Arbeitnehmer ihren Rückstand aufholen wollen und eine Nominallohnerhöhung fordern. Und wenn sie erwarten, dass die Inflation hoch bleibt, werden sie zusätzlich einen höheren Nominallohnanstieg fordern. Die Stärke dieses ersten Effekts, d. h. der Wunsch der Arbeitnehmer, aufzuholen, hängt unter anderem davon ab, wie stark die Reallohneinbußen in der ersten Runde ausfallen und wie stark die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer ist, d. h. wie angespannt die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist.
Die Stärke des zweiten Effekts, der erwarteten Inflation, hängt von der Glaubwürdigkeit der Strategie der Zentralbank und ihrer Verpflichtung ab, die Inflation auf ihren Zielwert zurückzuführen.
In diesem Zusammenhang gibt es eine wichtige Wechselwirkung zwischen der Steuer- und der Geldpolitik. Um noch einmal auf die verschiedenen Schutzmaßnahmen zurückzukommen, die Regierungen einsetzen können: Preissubventionen – soweit sie den Anstieg der Verbraucherpreise mechanisch verringern – oder Preisobergrenzen (wie im Falle der Abkopplung des Strompreises von den Grenzkosten) verringern die Inflation in der ersten Runde und begrenzen somit den anfänglichen Rückgang des Reallohns. Dies wiederum verringert den Lohndruck in den folgenden Runden, so dass es für die EZB leichter ist, die Inflation im Laufe der Zeit zu senken. Transfers wirken sich nicht auf die Erstinflation aus, aber sie begrenzen den anfänglichen Rückgang des Realeinkommens und können so den Lohndruck in der zweiten und den folgenden Runden verringern. Um es deutlich zu sagen: Mehr Schutz und höhere Defizite verringern die Notwendigkeit, die Geldpolitik zu intensivieren, um die Inflation auf ihren Zielwert zurückzubringen.
Es besteht also ein klarer Zielkonflikt: Aus Effizienzgründen und um die Wirksamkeit der Sanktionen zu gewährleisten, sollten die Regierungen einkommensstützende Maßnahmen vermeiden, die das Preissignal abschwächen und Russland sogar begünstigen könnten. Unter dem Gesichtspunkt der Inflationskontrolle sollten sie jedoch auf Maßnahmen setzen, die eine direkte, messbare Auswirkung auf die Verbraucherpreise haben. Einige Maßnahmen sind in beiderlei Hinsicht geeignet (wie bereits erwähnt, handelt es sich dabei um Transfers auf der Grundlage des bisherigen Energieverbrauchs). Doch viele der bisher eingeführten Maßnahmen erfüllen diese Anforderungen nicht.
Trilaterale Lohnverhandlungen
Man kann noch einen Schritt weiter gehen und für trilaterale Gespräche, wenn nicht gar Verhandlungen, zwischen Unternehmen, Arbeitnehmern und dem Staat plädieren. Solange die Güterpreise höher bleiben, müssen die Reallöhne und/oder die Aufschläge niedriger sein. Wie wir bereits erörtert haben, kann der Staat den Rückgang des Realeinkommens der Arbeitnehmer durch Subventionen, Transfers und Preisregulierungen begrenzen, die durch einen Mix aus Steuern für die Bessergestellten oder durch Schuldenfinanzierung finanziert werden, wodurch ein Teil der Last auf künftige Steuerzahler verlagert wird. Die Inflation ist ein äußerst ineffizientes Mittel, um ein Ergebnis zu erzielen, da sie entweder von den Arbeitnehmern oder den Unternehmen verlangt, dass sie aufgeben und niedrigere Reallöhne oder niedrigere Gewinnspannen akzeptieren. Eine Verhandlung, bei der sich Arbeitnehmer, Unternehmen und der Staat auf ein besseres Ergebnis und damit auf eine geringere zweite und weitere Inflationsrunden einigen, ist eindeutig wünschenswert.
Ist das erreichbar? Die Rolle solcher sozialer Verhandlungen wird seit langem diskutiert, und die übliche Antwort lautet, dass sie ein unrealistisches Maß an Koordination innerhalb der Unternehmen und Gewerkschaften erfordern. Dieses Mal könnte es anders sein, und trilaterale Verhandlungen oder zumindest Diskussionen sollten eine Option sein, die von den Regierungen in Betracht gezogen wird.
Gelingt es, das Ausmaß der Zweitrundeneffekte zu verringern, kann die Geldpolitik entspannter gestaltet werden. Zwei weitere Faktoren sind hier von Bedeutung, auch wenn sie die wünschenswerte Geldpolitik in entgegengesetzte Richtungen lenken:
Mögliche Entkoppelung von Erwartungen
Die auf den Rohstoffschock zurückzuführende Inflation folgt auf eine Inflationsrate, die deutlich über den Prognosen für 2021 liegt. Schon vor dem Krieg hatte dies zu Befürchtungen geführt, dass sich die Inflationserwartungen abschwächen könnten, was die Arbeit der EZB erschweren würde. Ausgehend von der EZB Survey of Professional Forecasters (ECB 2022b) begannen die langfristigen Inflationserwartungen zu steigen, wobei die durchschnittliche Prognose von 1,8 Prozent Anfang 2021 auf 2,1 Prozent im April 2022 stieg (Lane 2022) 34. Dies war zunächst eine willkommene Entwicklung, nachdem jahrelang erwartet wurde, dass die Inflation unter dem Zielwert liegen würde, doch besteht nun die Sorge, dass die zusätzliche kriegsbedingte Inflation der ersten Runde zu einer regelrechten Deflationierung führen wird. Wie unlängst Isabel Schnabel (2022) vom EZB-Direktorium feststellte, scheint dies wahrscheinlich und spricht für einen härteren geldpolitischen Kurs in den folgenden Runden, als dies ohne die höhere vorherige Inflation der Fall wäre.
Potenzielle Schwächung der privaten Nachfrage
Der andere bedeutende Faktor sind die Auswirkungen der kriegsbedingten Schocks auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Der Rückgang der Exporte, die Investitionsverluste und die Beeinträchtigung des allgemeinen Vertrauens sind gute Gründe für die Annahme, dass die Gesamtnachfrage selbst bei fiskalischer Unterstützung schwächer ausfallen wird, unabhängig von einer Intensivierung der Geldpolitik. Dies deutet darauf hin, dass eine straffere Geldpolitik weniger notwendig ist als vor dem Krieg, und spricht unter sonst gleichen Bedingungen für eine lockerere Geldpolitik.
Welcher dieser Faktoren überwiegen wird und ob die Geldpolitik der EZB straffer oder lockerer sein muss, als vor dem Krieg beabsichtigt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer beurteilen. Das Ausmaß der Schocks, die Stärke der Zweitrundeneffekte, die Stabilisierung der Inflationserwartungen und die Schwäche der Gesamtnachfrage sind alle ungewiss. Die Märkte können nur sehr schlecht einschätzen, wie sich das auf die Geldpolitik auswirken wird: Die Euro-Zinskurve ist mit Beginn des Krieges stark gesunken, liegt aber jetzt etwas höher als vor dem Krieg (siehe Abbildung 4) 35. Die derzeitige Haltung der EZB, keine größeren kriegsbedingten Anpassungen vorzunehmen, scheint zum jetzigen Zeitpunkt die richtige zu sein 36. Aber die EZB wird ihre Haltung anpassen und ungewöhnlich flink sein müssen, um entweder eine dauerhafte Inflation oder eine Rezession zu vermeiden.
5 Schluss
Für Europa ist der Krieg in der Ukraine ein wirtschaftlicher Schock erster Ordnung. Wenn auch die direkten fiskalischen Folgen der Versorgung von Geflüchteten, der gestiegenen Militärausgaben und der Stärkung der Energieautonomie begrenzt bleiben, sind die Auswirkungen steigender Energie- und Nahrungsmittelpreise auf das Nationaleinkommen und seine Verteilung potentiell groß. Für politische Entscheider ergeben sich daraus drei makroökonomische Herausforderungen.
Die erste Frage ist, wie Sanktionen am besten eingesetzt werden können, um Russland abzuschrecken und gleichzeitig die negativen Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft zu begrenzen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zwischen Öl und Gas zu unterscheiden. Bei Öl kann Russland sich vom EU-Markt abwenden und auf dem Weltmarkt verkaufen, wo es als Preisnehmer auftritt. Dies hat zur Folge, dass die Auswirkungen der EU-Sanktionen global sind und dass ein europäisches Embargo oder Strafzölle auf Öl nur begrenzte Auswirkungen auf die Ölpreise für Verbraucher haben sollten. Beim Gas hat die Europäische Union einen beträchtlichen Einfluss, da Russland fast vollständig von der Pipeline-Infrastruktur abhängig ist, die das Land mit dem europäischen Markt verbindet. Da das Angebot aus anderen Quellen jedoch relativ unelastisch ist, hat Russland eine stark abfallende Nachfragekurve und verfügt über eine beträchtliche Marktmacht. Angesichts der technischen Beschränkungen und dieses strategischen Spiels ist ein Gasembargo nicht durchführbar. Strafzölle sind jedoch durchaus realisierbar, sie wären effektiv und sollten in Betracht gezogen werden, trotz der zu erwartenden starken Auswirkungen auf die Verbraucherpreise.
Die zweite Herausforderung betrifft den Umgang mit dem Rückgang des Realeinkommens aufgrund des Anstiegs der Energieimportrechnung. Hier gibt es zwei Fragen, die politischer Klärung bedürfen. Erstens: Wenn Regierungen die Käufer – Verbraucher und Unternehmen – teilweise vor dem Anstieg schützen wollen, haben sie die Wahl zwischen verschiedenen Maßnahmen, von direkten Subventionen über gezielte Transfers bis hin zu Vorschriften und Preisobergrenzen. Bei Gas und in geringerem Maße auch bei Öl könnten Subventionen – insbesondere pauschale Steuersenkungen – die Wirkung von Sanktionen teilweise ausgleichen und sind daher unerwünscht. Pauschale Transfers, die sich nicht auf den marginalen Preis auswirken und folglich die Anreize zur Verringerung der Nachfrage nicht mindern, sind vorzuziehen, insbesondere wenn sie an Haushalte mit niedrigem Einkommen und andere besonders betroffene Haushalte gerichtet sind. Zweitens müssen die Regierungen entscheiden, wie sie die zusätzlichen Ausgaben finanzieren wollen. Da ein Teil der Ausgaben zeitlich befristet ist und Unsicherheit, Realeinkommensverlusten und geringere Exporten nach Russland einer schwachen Gesamtnachfrage nach sich ziehen, könnte eine fiskalische Unterstützung und damit eine zusätzliche Defizitfinanzierung erforderlich sein. Selbst wenn die Defizite größer sind, werden die Schuldenquoten angesichts der hohen Inflation und der immer noch niedrigen nominalen Zinssätze in den nächsten ein bis zwei Jahren voraussichtlich sinken, so dass die Schulden tragfähig bleiben werden.
Die dritte makroökonomische Herausforderung ist der Umgang mit dem Anstieg der Inflation infolge höherer Energie- und Lebensmittelpreise. Hier sind zwei Kräfte am Werk. Die erste besteht in der Notwendigkeit, eine Verankerung der Inflationserwartungen zu vermeiden, was angesichts der bereits vor dem Krieg erheblich gestiegenen Inflation eine noch größere Herausforderung darstellt als ohnehin schon, da die Inflation bereits vor dem Krieg erheblich gestiegen war. Um dieser Gefahr vorzubeugen, wäre eine Straffung der Geldpolitik erforderlich. Der zweite Faktor ist, dass der Verlust an Realeinkommen selbst mit einem gewissen fiskalischen Ausgleich wahrscheinlich zu einer schwächeren Gesamtnachfrage führen wird, was eine Lockerung der Politik erforderlich macht. Die Herausforderung für die politischen Entscheidungsträger besteht darin, mit diesen widersprüchlichen Zielen umzugehen. Dabei ergänzen sich die politischen Instrumente gegenseitig. Eine Kombination aus gut durchdachter fiskalischer Unterstützung für die privaten Haushalte und trilateralen Lohndiskussionen könnte dazu beitragen, den Zielkonflikt, mit dem die Zentralbank konfrontiert ist, zu mildern.
In jeder dieser drei Dimensionen besteht eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich des Resultats. Die Energiepreise können viel stärker steigen als bisher oder auf das Vorkriegsniveau zurückkehren. Dies bedeutet, dass der Verlust an Realeinkommen und der Inflationsdruck sehr viel größer sein können oder aber weniger stark ausfallen als derzeit prognostiziert. Dies führt zu unserer letzten Schlussfolgerung. Die Fiskal- und Geldpolitik sollte flexibel sein und aus Maßnahmen bestehen, die je nach Bedarf leicht angepasst werden können.
Fußnoten
- Zum Zeitpunkt, da dieser Text für die Publikation vorbereitet wird, hat Russland den Stopp von Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien verkündet.
- Das nominale BIP der EU-27 lag im Jahr 2019 bei 14.017 Milliarden Euro. Quelle: Eurostat.
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- Pisani-Ferry, Jean. 2022. Europe’s economic response to the Russia-Ukraine war will redefine its priorities and future. RealTime Economic Issues Watch blog, March 10, Peterson Institute for International Economics, https://www.piie.com/blogs/ realtime-economic-issues-watch/europes-economic-response-russia-ukraine-war- will-redefine-its.
- Ritchie, Hannah. 2022. How could the war in Ukraine impact global food supplies ? Our World in Data, March 24, https://ourworldindata.org/ukraine-russia-food.
- Schnabel, Isabel. 2022. Managing policy trade-offs, April 2, https://www.ecb.europa.eu/ press/key/date/2022/html/ecb.sp220402~9af4336c23.en.html.
- Sgaravatti, G., S. Tagliapietra, and G. Zachmann. 2022. National policies to shield consumers from rising energy prices. Bruegel, March 29, https://www.bruegel. org/publications/datasets/national-policies-to-shield-consumers-from-rising-energy-prices/.
- Sturm, John. 2022. The Simple Economics of Trade Sanctions on Russia : A Policymaker’sGuide. Working paper, April 9, MIT.UNHCR (UN High Commissioner for Refugees). 2022. Ukraine situation flash update, April 13, https://reliefweb.int/report/ukraine/ukraine-situation-flash-update-8-13-april-2022.
- Vgl. die kürzlich erschienene Studie von Darvas (2022). Die höhere Schätzungen basieren auf schwedischen Daten. Pisani-Ferry (2022) verwendet ausgehend von den Kosten des Geflüchtetenzustroms 2015 in Deutschland eine Schätzung von 10.000 €. Die Kosten in Polen und den anderen Ländern der Frontlinie werden sicherlich geringer sein als in Schweden, daher bleiben wir bei der Schätzung von 10.000 €.
- Für weitere Informationen zu den Auswirkungen des Kriegs auf Nahrungsmittelpreise, vgl. FAO (2022). Vgl. auch Ritchie (2022).
- So können zum Beispiel LNG-Importe aus dem Rest der Welt in die Länder gelenkt werden, in denen der Nachfrageüberhang am größten ist.
- Vgl. Pressemeldung der EU-Kommission vom 8.März 2022.
- Für eine ausführlichere Diskussion der zugrunde liegenden Substitutionselastizität zwischen Gas und anderen Energiequellen und ihrer Auswirkungen auf das BIP im Falle eines vollständigen Gasembargos vgl. Bachmann et al. (2022), Baqaee und Moll (2022) und Moll (2022).
- Wir betrachten Russland als Monopolisten gegenüber einer großen Anzahl nationaler Käufer. Wenn es einen gemeinsamen Marktpreis und eine Koordination zwischen den Abnehmern gäbe, könnte es sinnvoller sein, das Marktgleichgewicht als das Ergebnis eines Spiels zwischen zwei Spielern zu behandeln. Angesichts der fehlenden Koordination haben wir die Implikationen dieser Alternative bislang nicht berücksichtigt.
- Hier und im Folgenden verwenden wir, sofern nicht anders angegeben, die Daten für 2019 als Benchmark, da die Daten für 2020 durch den Covid-Schock beeinträchtigt wurden und die Daten für 2021 nicht immer verfügbar sind.
- Es gibt eine juristische Debatte darüber, ob ein solches Vorgehen Einstimmigkeit innerhalb der Europäischen Union erfordert. Sanktionen werden auf der Grundlage von Art. 29 des Vertrags über die Europäische Union einstimmig beschlossen, aber mit qualifizierter Mehrheit umgesetzt. Handelspolitische Entscheidungen werden mit qualifizierter Mehrheit getroffen. Und im Bereich der Energie hat jeder Mitgliedstaat das Recht, „die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung“ zu bestimmen (Art. 194 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU).
- Dieser Punkt wird anschaulich von John Sturm (2022) dargestellt, der Parallelen zum Argument der wohlfahrtssteigernden Zölle aufzeigt, das im internationalen Handel zum Standard gehört.
- Fred-Daten basierend auf der US Energy Information Administration.
- Quelle: HICP weights der EZB für 2021
- Fred Rohölpreise (Brent).
- Quelle für Ölimporte: Energiebilanzen, Eurostat.
- Gemäß unseren Berechnungen, die auf der Auswertung von Primärenergieflüssen mit unseren Preisannahmen beruhen.
- Diese Zahlen werden als das Verhältnis von Nahrungsmittelverbrauch (CP01) plus Strom, Gas und andere Brennstoffe (CP045) plus Betrieb von persönlichen Transportmitteln (CP072) zum Gesamtverbrauch für jedes Quintil berechnet. Die Zahlen stammen aus Eurostat-data.xlsx.
- Manche der veröffentlichten Zahlen erscheinen wesentlich höher. So geben die BLS-Daten für die Vereinigten Staaten für das Jahr 2020 ein Verhältnis des Verbrauchs von Lebensmitteln, Verkehr und Versorgungsleistungen zum verfügbaren Einkommen von 74 % für das unterste Quintil gegenüber 20 % für das oberste Quintil an. Dies ist jedoch zum Teil auf unterschiedliche Definitionen des kleineren Verbrauchskorb zurückzuführen, oder darauf, dass das Verhältnis des Verbrauchs von Gas, Versorgungsleistungen und Lebensmitteln zum verfügbaren Einkommen und nicht zum Konsum betrachtet wird. Im unteren Quintil befinden sich viele Einzelpersonen und Haushalte, die nicht sparen und deren verfügbares Einkommen im Verhältnis zum Konsum gering ist.
- Aufbauend auf den obigen Ausführungen zur Inflation, wird der Erstrundeneffekt in dem Maße geringer sein wird als die im Text angegebene Zahl, in dem die Hersteller von Endprodukten den Anstieg der Rohstoffpreise nicht in vollem Umfang widerspiegeln und eine Senkung ihrer Gewinnspanne in Kauf nehmen. Wenn sie jedoch im Laufe der Zeit ihre Aufschläge wieder erhöhen, ist die Zahl im Text relevant.
- Für Frankreichs liefert Douenne (2019) Belege für die vertikale und horizontale Streuung der Auswirkungen einer Kohlenstoffsteuer.
- Im Oktober 2021 stellte die Europäische Kommission eine Toolbox mit Maßnahmen zur Bewältigung der Energiesituation vor, die von den Mitgliedstaaten als realistische Optionen in Betracht gezogen werden können.
- Für Details zu den französischen Maßnahmen (“bouclier tarifaire”) siehe Gouvernement français (2022).
- Siehe Maßnahmenpaket des Bundes zum Umgang mit den hohen Energiekosten vom 23.März. Ein weiteres Bündel an Maßnahmen zur Unterstützung der betroffenen Unternehmen wurde am 8. April eingeführt.
- Diese Zahlung wurde bereits 2021 eingeführt, d.h. vor dem Russland-Ukraine-Krieg, um den damals schon beträchtlichen Preisanstieg für verschiedene Rohstoffe zu kompensieren.
- Für mehr zu den von den EU-Mitgliedern ergriffenen Maßnahmen, einschließlich Subventionen, Transfers und Preisregelungen, siehe Sgaravatti, Tagliapietra, and Zachmann (2022).
- Zudem widersprechen sie der notwendigen Dekarbonisierung des Energiesystems.
- Die Steigung der Angebotskurve war Gegenstand einer Twitter-Diskussion zwischen Paul Krugman und Jason Furman.
- Das deutsche Unterstützungsprogramm besteht aus zwei Paketen von je 15 Mrd €.
- In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass Deutschland beschlossen hat, beide Ansätze zu kombinieren, indem es einen Verteidigungsfonds durch Schulden in Höhe von 3 Prozent des BIP finanziert und sich gleichzeitig verpflichtet, die ständige Erhöhung der Militärausgaben durch Steuern zu finanzieren.
- Olivier Blanchard, “Fiscal policy under low interest rates” (2023).
- Die EZB stellt noch zwei weitere Szenarien auf, ein ungünstiges und ein pessimistisches. Im pessimistischen Szenario liegt das Wachstum bei 2,3 %, die 10-jährige Rendite bei 0,8 % und die Inflation bei 7,1 %, was einen Wert von (r – g) von -8,6 % bedeutet.
- Die Erhöhung von 1,8% auf 2% war wünschenswert; die Frage ist, ob es dabei bleibt.
- Siehe zum Beispiel die Zinskurven der EZB für den 23. Februar, den 3. März und den 17. März.
- Insofern stimmen wir weitgehend mit der Analyse und den Schlussfolgerungen von Isabel Schnabel (2022) in ihrer Rede vom 2. April überein.