Sehen Sie hier das PDF mit allen Ergebnissen unserer exklusiven Umfrage

Vor dem Hintergrund eines Krieges in einem an die Union angrenzenden Land, zunehmender internationaler Spannungen und Unsicherheiten in Bezug auf militärische Bündnisse haben der Grand Continent und Cluster 17 begonnen, die öffentliche Meinung in Europa zu untersuchen.

In diesem beispiellosen Moment erschien es uns unerlässlich zu verstehen, wie die Europäer reagierten und ob sie sich als Menschen mit gemeinsamen Interessen und einem gemeinsamen Schicksal wahrnahmen. 

Während landesweite Umfragen zu fast allen Dimensionen und aktuellen Fragen – auch zu zweitrangigen, manchmal sogar zu trivialen – üblich sind, fällt auf, dass die „Europäer“ fast nie als eine Einheit befragt werden, die dazu bestimmt ist, eine gemeinsame politische Gemeinschaft zu bilden. Zu einer Zeit, in der sich die Frage stellt, wie die Union sich die Mittel für eine gemeinsame Verteidigung verschaffen kann, erschien es uns als nützlicher Beitrag zur Entstehung des neuen kontinentalen öffentlichen Raums, die Meinung der Hauptbetroffenen zu einem so entscheidenden Thema zu erfahren.

Zu diesem Zweck haben wir im vergangenen November eine erste Ausgabe von Eurobazooka mit einer Stichprobe von 7.075 Europäern aus fünf Ländern durchgeführt: Belgien, Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland.

Dieses Mal haben wir eine größere Stichprobe von 10.572 Personen aus den neun größten Ländern der Union (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Rumänien, Niederlande, Belgien) ausgewählt, zu der wir Dänemark hinzugefügt haben. Diese Stichprobe repräsentiert etwa zwei Drittel der Bevölkerung der Union.

Dies ist eine Innovation bei der Durchführung von Umfragen, die es ermöglichen wird, die Bürger in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte in Europa zu stellen.

Bei der Auswertung der Ergebnisse dieser Welle vom März 2025 zeigt sich ein klarer allgemeiner Trend: Eine Mehrheit der europäischen Öffentlichkeit befürwortet einen Sprung nach vorn in der Integration – hauptsächlich aus einer defensiven und pazifistischen Perspektive. Für die europäischen Staats- und Regierungschefs zeichnet sich ein Punkt ab, der politisch aktiviert werden könnte: Es besteht eine sehr starke Nachfrage nach einer europäischen Armee, für die es derzeit kein politisches Angebot gibt.

1 — Europäer befürchten den Ausbruch eines bewaffneten Konflikts auf dem EU-Gebiet

Dies ist die erste Erkenntnis der Umfrage: Eine relativ deutliche Mehrheit (55% gegenüber 40%) schätzt „das Risiko eines bewaffneten Konflikts auf dem Gebiet der Europäischen Union in den nächsten Jahren“ für hoch ein.

Diese Meinung ist in allen Ländern außer in Italien vorherrschend (49% gegenüber 48%). In Nordeuropa (Dänemark und die Niederlande) und in Osteuropa (Polen und Rumänien) ist sie besonders stark ausgeprägt, wobei letztere wahrscheinlich aufgrund der Nähe zu Russland und der gemeinsamen Grenzen mit der Ukraine besonders stark ausfallen. Somit stufen in Polen und Rumänien mehr als 7 von 10 Bürgern das Risiko als hoch ein.

Der russische Angriff der Ukraine vor nunmehr über drei Jahren hat zweifelsfrei erheblich zur Verbreitung solcher Befürchtungen beigetragen. Unsere Umfrage bestätigt jedoch, dass auch die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus eine wesentliche Rolle bei der Veränderung der Wahrnehmungen der Europäer spielt.

In den neun von uns erfassten Ländern sind beinahe zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass „die Wahl von Donald Trump die Welt weniger sicher macht“ (63%, gegenüber nur 15 %, welche die gegenteilige Meinung vertreten). Diese Ansicht ist überall vorherrschend und stellt in 7 von 9 Ländern eine große Mehrheit dar.

2 — Trump als Feind, Musk als Schreckgespenst: Es gibt keinen amerikanischen Freund mehr.

Es ist selbstverständlich viel zu früh, um jegliche Form von Prognosen darüber zu wagen, ob dieser Paradigmenwechsel konjunkturell bedingt oder im Gegenteil von Dauer sein wird, aber es muss festgestellt werden, dass es heute für die Europäer keinen amerikanischen Freund mehr gibt.

Eine Mehrheit (51%) hält Donald Trump für einen „Feind Europas“, während nur 9% ihn als „Freund Europas“ wahrnehmen.

Diese negative Einschätzung hat im Vergleich zu unserer Umfrage vom November zugenommen und wird heute in 7 von 9 Ländern mehrheitlich vertreten und ist besonders in den nördlichsten Ländern ausgeprägt: Niederlande, Belgien und Dänemark. In diesem Punkt heben sich Rumänien und noch mehr Polen relativ deutlich ab. In diesen beiden Ländern sind die Meinungen über den US-Präsidenten weniger eindeutig, auch wenn nur sehr wenige Bürger ihn als „Freund Europas“ betrachten (23% bzw. 19%).

Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus spielt eine wesentliche Rolle bei der Veränderung der Wahrnehmungen der Europäer.

Jean-Yves Dormagen

Diese negative Wahrnehmung betrifft auch eine der bekanntesten und wichtigsten Gesichter der neuen amerikanischen Macht: Elon Musk.

In den befragten Ländern sind fast acht von zehn Bürgern der Ansicht, dass man ihm nicht vertrauen kann (79%). Diese massive Ablehnung des Chefs von X — auch in Ländern wie Polen und Rumänien, die der Trump-Regierung am wenigsten ablehnend gegenüberstehen — könnte sich nachhaltig auf seine Geschäftstätigkeit und seine Unternehmen auswirken: 58% der Befragten befürworten beispielsweise einen Boykott von Tesla.

Bemerkenswert dabei ist, dass diese Boykott-Bereitschaft für die amerikanische Firma umso beunruhigender sein könnte, als sie in europäischen Ländern mit hoher Kaufkraft wie Dänemark, den Niederlanden und Deutschland besonders stark vertreten ist.

3 — „Trump verhält sich wie ein Diktator“: Europäer sehen eine autoritäre Wende in den USA.

Es ist ebenfalls frappierend, wie sehr Donald Trump dazu beiträgt, die Wahrnehmung der amerikanischen Politik zu verändern.

Nur eine kleine Minderheit (13%) ist der Ansicht, dass er „die demokratischen Prinzipien respektiert“. 43% sind der Meinung, dass er „eine autoritäre Tendenz hat“, und immerhin 39% glauben, dass er „sich wie ein Diktator verhält“.

Diese Verschlechterung des Ansehens der amerikanischen Demokratie zeigt sich ausnahmslos in allen neun befragten Ländern, allerdings mit unterschiedlicher Intensität: Die nördlichen Länder sind auch in diesem Punkt am strengsten, wo eine Mehrheit in Dänemark, Belgien, Deutschland und den Niederlanden sein Verhalten als „diktatorisch“ bezeichnet.

4 — Sich nur auf die eigenen Kräfte verlassen: 70% der Europäer befürworten eine gemeinsame Verteidigung.

In diesem neuen internationalen Kontext, der von einem Vertrauensverlust in die USA unter Donald Trump geprägt ist, sprechen sich die von uns befragten Europäer logischerweise mit sehr großer Mehrheit für eine gemeinsame Verteidigung aus.

So sind 70% der Befragten der Meinung, dass „die Europäische Union sich nur auf ihre eigenen Kräfte verlassen sollte, um ihre Verteidigung und Sicherheit zu gewährleisten“, während nur 10% der Meinung sind, dass „die Europäische Union sich auf die Vereinigten Staaten von Donald Trump verlassen kann, um ihre Sicherheit und Verteidigung zu gewährleisten“. Diese Ansicht wird in allen neun untersuchten Ländern mehrheitlich vertreten, selbst in Ländern wie Polen, Rumänien und Italien, in denen das Misstrauen gegenüber dem Trumpismus weniger ausgeprägt zu sein scheint.

5 — Um ihre Sicherheit zu gewährleisten, haben die Europäer mehr Vertrauen in eine „gemeinsame Armee“ als in eine „nationale Armee“.

Die Europäer standen wahrscheinlich noch nie so positiv einer Zusammenlegung ihrer militärischen und verteidigungspolitischen Kapazitäten gegenüber.

Wie unsere Umfrage zeigt, scheinen sie viel mehr Vertrauen in eine „europäische Verteidigung“ zu haben, die auf einer „gemeinsamen Armee“ beruht, als in eine „nationale Armee“, um die Sicherheit ihres Landes zu gewährleisten: 60% gegenüber 19%.

Was ein Bündnis wie die NATO betrifft, so genießt sie heute nur noch bei einer kleinen Minderheit Vertrauen: 14%.

Der Kontext der Unsicherheit, der seit dem spektakulären Austausch im Weißen Haus zwischen Donald Trump und Wolodymyr Zelensky über Europa herrscht, führt zu einer beeindruckenden Zunahme der Befürwortung einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Seit unserem ersten Barometer im November ist der Wunsch nach einer gemeinsamen europäischen Verteidigung in fast allen getesteten Ländern gestiegen: +6 Punkte in Italien, +12 Punkte in Deutschland (65 %), +9 Punkte in Belgien (74 %), +11 Punkte in Frankreich (53 %) und sogar +15 Punkte in Spanien (73 %).

Polen und Rumänien, zwei der Länder, in denen die Befürchtung eines Krieges am stärksten ausgeprägt ist, sind nach wie vor eher atlantisch eingestellt — wenn auch nur in geringem Maße — oder legen mehr Wert auf eine Verteidigung, die auf nationalen Grundlagen beruht.

Die Europäer standen wahrscheinlich noch nie so positiv einer Zusammenlegung ihrer militärischen und verteidigungspolitischen Kapazitäten gegenüber.

Jean-Yves Dormagen

6 — Für eine Wiederaufrüstung auf strikt europäischer Grundlage

Mehrere Antworten deuten darauf hin, dass diese gemeinsame Verteidigung im Rahmen einer vorrangigen Wiederaufrüstung erfolgen sollte.

So ist eine relative Mehrheit (43%) der Ansicht, dass „es dringend erforderlich ist, die Verteidigungsausgaben auf 5% des EU-BIP zu erhöhen, um sich vor externen militärischen Bedrohungen zu schützen“, während 34% der Meinung sind, dass „es dringendere Ausgaben als die Verteidigung“ gibt.

In diesem Punkt gibt es zwischen den einzelnen Ländern ziemlich große Unterschiede.

Polen, wahrscheinlich aufgrund seiner gemeinsamen Grenzen mit den baltischen Staaten und der Ukraine und eines stärkeren Bedrohungsempfindens, befürwortet bei weitem am meisten hohe Investitionen in die Verteidigung: 62%. Im Gegensatz dazu antworten die Italiener, die in diesem Punkt stark auffallen, mit großer Mehrheit (62%), dass „es dringendere Ausgaben gibt“. In allen anderen Ländern stimmen zwischen 43% und 50% der Bürger für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben.

Eine sehr große Mehrheit der Bürger ist der Ansicht, dass die EU-Mitgliedstaaten aus Gründen der europäischen Souveränität verpflichtet sein sollten, ihre militärische Ausrüstung unter den Mitgliedsländern einzukaufen und nicht mehr, wie es heute der Fall ist, sehr weitgehend in den Vereinigten Staaten. Diese Ansicht stellt eine klare Mehrheit dar: 71% gegenüber 20%.

Sie setzt sich auch in Ländern durch, die sich durch eine starke atlantische Tradition auszeichnen und deren militärische Ausrüstung weitgehend aus den USA stammt, wie Polen oder die Niederlande.

7 — Der französische Atomschirm wird weithin befürwortet: Mehr als 6 von 10 Europäern würden ihm positiv gegenüber stehen.

Die Möglichkeit, die französische nukleare Abschreckung auf andere EU-Länder auszudehnen, heizt bekanntlich derzeit in Europa eine Reihe von Debatten an.

Deshalb war es besonders interessant, die Positionen der Europäer zu diesem Thema, das sie am meisten betrifft, zu erfahren.

Die Ergebnisse zeigen eine mehrheitliche Befürwortung: In dem von uns befragten Raum sprechen sich mehr als sechs von zehn Bürgern (61%) für eine solche Perspektive aus.

Auch in diesem Punkt hebt sich nur Italien durch eine kleine Mehrheit der ablehnenden Befragten ab: 53% gegenüber 47%. Ansonsten liegt die Zustimmung mit Ausnahme von Frankreich überall über 60%, in Polen sogar bei 74% und in Belgien bei 76%. Diese Zahlen zeugen auch hier von einer zunehmend stärkeren Nachfrage nach einer Zusammenlegung von Schutz- und Verteidigungsinstrumenten auf europäischer Ebene.

8 — Mehrheit der Europäer für militärische Unterstützung der Ukraine — außer in Italien

Obwohl die EU-Bürger eher zu Kompromissen neigen, gibt es eine Mehrheit für eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine angesichts des Rückzugs der USA unter Donald Trump: 54% zu 40%. Obwohl dies die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung in den von uns befragten zwei Dritteln der EU ist, gibt es jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern.

Diese Haltung stellt in 6 von 9 Ländern eine sehr deutliche Mehrheit dar: in erster Linie in den nördlichen Ländern (Dänemark, Deutschland, Niederlande, Belgien), aber auch in Polen und Spanien. Sie überwiegt, wenn auch weniger deutlich, in Rumänien und in Frankreich. Schließlich sticht, wie bei den meisten Fragen dieser Umfrage, Italien hervor: Es ist das einzige der hier erfassten Länder, in dem sich eine Mehrheit (59%) gegen eine Verstärkung des militärischen Engagements für die Ukraine ausspricht.

Ebenso sprechen sich mehr als die Hälfte der befragten Europäer (56%) für einen EU-Beitritt der Ukraine bis 2030 aus. In acht der neun untersuchten Länder stellt diese Ansicht die Mehrheit dar. Nur Frankreich sticht hier hervor, wo eine knappe Mehrheit der Befragten diese Perspektive ablehnt (55%).

9 — Die öffentliche Meinung in Europa unterstützt weitgehend die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte zur Finanzierung der Unterstützung der Ukraine.

Die Beschlagnahmung der 235 Milliarden € russischer Vermögenswerte, die derzeit bei europäischen Finanzinstituten und Banken eingefroren sind, ist dagegen sowohl auf globaler Ebene als auch in jedem der untersuchten Länder relativ weitgehend Konsens.

Mehr als sechs von zehn Europäern aus den befragten Ländern sind der Ansicht, dass diese Vermögenswerte zur Finanzierung der Unterstützung der Ukraine verwendet werden sollten.

In allen untersuchten Ländern gibt es eine Mehrheit, die eine solche Lösung befürwortet. In den nordeuropäischen Ländern, Polen und Spanien ist sie besonders populär.

Nur die Italiener unterstützen mit einer deutlichen Mehrheit (62%) eine Friedenslösung um den Preis des Verlustes der besetzten Gebiete in der Ukraine.

Jean-Yves Dormagen

10 — Die Zukunft des Krieges in der Ukraine spaltet die Europäer.

Unsere Studie zeigt, dass sich die öffentliche Meinung in Europa in den letzten Wochen schnell verändert.

Einerseits scheint der „Clash“ zwischen Trump und Zelensky die pro-ukrainische Stimmung in Europa zu stärken. Ob in Frankreich, Spanien, Deutschland oder Italien, der Wunsch nach verstärkter Hilfe für die Ukraine nimmt im Vergleich zum November deutlich zu. Insgesamt sprechen sich 54% der befragten EU-Bürger für eine Ausweitung des militärischen Engagements der Union für die Ukraine aus.

Dennoch ist die Situation fragil. Die Mehrheit der Bevölkerung will den Krieg beendet sehen.

So unterstützen mehr befragte Europäer (47%), dass „die Ukraine einem Friedensvertrag zustimmt, selbst wenn sie dabei die von Russland besetzten Gebiete abtreten muss“, als den Alternativvorschlag, dass „die Ukraine militärisch unterstützt werden sollte, bis sie die Kontrolle über die von Russland besetzten Gebiete zurückerlangt“ (35%).

Für eine gewisse Unsicherheit in der öffentlichen Meinung ist hierbei bezeichnend, dass sich fast jeder fünfte Befragte angesichts einer solchen Alternative nicht entscheidet (18%).

Auch bei diesem Thema ist eine italienische Besonderheit klar erkennbar: Nur die Italiener sind mit 62% in der deutlichen Mehrheit, die eine Friedenslösung um den Preis des Verlustes der besetzten Gebiete unterstützen, und eine knappe Mehrheit der Rumänen teilt diese Ansicht.

In Frankreich und Deutschland zeichnete sich keine Mehrheit ab, aber die Friedensoption war relativ stärker als die Option, den Krieg fortzusetzen. In Ländern wie Polen, Spanien, den Niederlanden und Belgien ist die öffentliche Meinung in dieser Frage sehr gespalten. Nur die Dänen geben einer Fortsetzung des Konflikts den Vorzug vor einem Frieden, der mit Gebietsverlusten für die Ukraine einhergehen würde.